Halleluja – Preiset den Herrn
Liebe Community!
Community ist einer dieser neudeutschen Begriffe, welche aus dem Englischen entliehen sind. Früher hätte man mit „Liebe Gemeinde“ eröffnet, was angesichts meines Themas die treffendere Bezeichnung ist, denn die nachfolgenden Zitate stammen nicht aus „Die Geschichte der O“ oder einem Gor-Leitfaden für Einsteiger, sondern aus der Heiligen Schrift:
Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn, denn der Mann ist das Haupt der Frau.
(Eph 5,21)
Und der Mann ist nicht geschaffen um des Weibes willen, sondern das Weib um des Mannes willen.
(1 Kor 11:9)
Eine Frau lerne in der Stille mit aller Unterordnung. Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre, auch nicht, dass sie über den Mann Herr sei, sie sei still.
(1. Timotheus 2,11ff)
Ein schönes Weib ohne Zucht ist wie eine Sau mit einem goldenen Ring durch die Nase.
(Sprüche Salomos)
Wenn man zu den oben angeführten Leitsätzen noch die Begebenheit aus 1. Mose 19:8 betrachtet, als Lot den Besuch zweier Engel des Herrn erhielt
(an dieser Stelle sei erwähnt, dass besagte Engel, später ganz Sodom vernichteten, also alles andere als wehrlos waren), welche dann von der Bevölkerung Sodoms entdeckt wurden und mit denen die Sodomer ihren Mutwillen treiben wollten:
„[...] und forderten Lot und sprachen zu ihm: Wo sind die Männer, die zu dir gekommen sind diese Nacht? Führe sie heraus zu uns, dass wir sie erkennen. Lot ging heraus zu ihnen vor die Tür und schloss die Tür hinter sich zu und sprach: Ach, liebe Brüder, tut nicht so übel! Siehe, ich habe zwei Töchter, die haben noch keinen Mann erkannt, die will ich herausgeben unter euch, und tut mit ihnen, was euch gefällt; allein diesen Männern tut nichts. […]“
So verwundert es nicht, dass auch spätere Kirchenmänner wie z.B. Johannes Sarasa, Luther oder Thomas von Aquin ein geringes Frauenbild in sich trugen und dass die Frau in vielen christlichen Glaubensgemeinschaften bis heute nicht gleichberechtigt ist.
„Das weibliche Geschlecht ist bei weitem minderwertiger als das männliche [...] Der weibliche Verstand ist schwächer."
(Der Jesuit Sarasa)
„Die größte Ehre, die das Weib hat, ist allzumal, dass die Männer durch sie geboren werden."
(Martin Luther, dt. Theologe)
„Das Weib verhält sich zum Mann wie das Unvollkommene und Defekte (imperfectum, deficiens) zum Vollkommenen (perfectum)."
(Thomas von Aquin, hl., Kirchenlehrer, 1225-1274)
Doch genug der Zitate, welche sich wie ein Faden durch das Alte und zum Teil auch durch das Neue Testament sowie theologische Schriften ziehen. Die Bibel und das daraus erwachsene Christentum liefern uns eine Ideologie für eine Weltordnung, welche wir bereits im Kindesalter im Religionsunterricht oder der Vorbereitung zur Kommunion bzw. Konfirmation verinnerlichen konnten, um sie dann später, bei entsprechender Veranlagung, als sexuell aufgeladene Variante im BDSM auszuleben.
So hat uns als Kind vielleicht die Geschichte von Hiob beschäftigt, der als wohlhabender Mann von Gott geprüft wurde, alles verlor, mit Armut und Krankheit geschlagen wurde und trotzdem nicht mit seinem Schicksal haderte, sondern beteuerte, dass ihm Gott alles gegeben hat und daher auch alles nehmen kann. Das würde an seiner Liebe zu Gott nichts ändern, denn all dies hätte gewiss einen Sinn.
Die Haltung Hiobs zu Gott, jenen bedingungs- und kritiklos zu verehren und zu lieben, ist im Kern nicht sehr verschieden zu z.B. einigen Paragrafen aus dem Sklavenvertragsgenerator der Sklavenzentrale, die da lauten:
„Der Herr kann die Sklavin nach seinem Ermessen bestrafen. Die Sklavin hat nicht das Recht Kritik an der Strafe oder dem Strafmaß zu üben.“,
oder:
„Die Sklavin wird sich mit allen Kräften bemühen, ihrem Herrn perfekt zu dienen, gehorsam zu sein [...] Sie übernimmt die Wertvorstellungen ihres Herren und wird versuchen, diese so gut es ihr möglich ist nachzuleben.“
Den wesentlichen Unterschied sehe ich lediglich darin, dass der Dom, zusätzlich zu der ihm vom Christentum zugedachten Rolle als Patriarch, auch noch die Verehrung erfahren möchte, die vormals Gott vorbehalten war – worin auch der blasphemische Charakter einer SM-Beziehung gesehen werden kann.
So gibt es durchaus auch Doms im Innersten wünschen, Empfänger einer bedingungslosen Liebe zu sein, wie sie Hiob Gott gegenüber darbrachte. Hoffend, dass ihre Subs voller Hingabe Lob und Zurechtweisung bis hin zu Korrekturen annehmen und fest darauf vertrauen, dass alles allein zu ihrem Besten geschieht.
Andersherum funktioniert es ebenso, man stellt sich ganz unter das Kommando eines Menschen zu dem man aufsehen kann und findet damit das eigene – in der christlich geprägten Gesellschaft, vielleicht sogar im menschlichen Wesen – tief verankerte Bedürfnis nach einem sinnstiftenden „Größeren“ befriedigt. Der sexuelle Zuckerguss, mit dem eine solche Verbindung beim SM übergossen wird, sorgt für die nötige Haftkraft.
Die von der Szene dafür geschaffenen Begriffe wie 24/7, TPE oder CIS klingen zwar modern, vor allen der Terminus Total Power Exchange kommt daher wie ein neues Managementinstrument, meint aber im Grunde nichts anderes als „Lass mich Dein Gott sein.“ Und wie mit einem Gott zu verfahren ist, haben wir zumindest in unserem christlichen Abendland alle mit der Muttermilch aufgesogen.
Ein Phänomen am Rande ist, dass man Gott im christlichen Glauben sowohl mit mein Herr als auch mit mein Vater betitelt.
Auch dies findet findet beim SM scheinbar seine Entsprechung. Nicht wenige junge Frauen glauben Dominanz und graue Schläfen gingen Hand-in-Hand und erwählen sich Partner, die in der Tat beiden Bezeichnungen gerecht werden können.
Trotzdem haben es streng religiöse Menschen nicht etwa einfacher mit ihrer BDSM-Neigung. Als Christ und SMer kann sich daher durchaus die Frage stellen: Darf ich wollen was ich will?
„Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott“.
(Exodus 20,5)
... und nicht nur deshalb fragt sich mancher Christ, ob BDSM mit den christlichen Werten und den Erwartungen seines Gottes an ihn in Einklang zu bringen ist. Ob es entgegen dem bekannten Bibelvers:
„Niemand kann zwei Herren dienen ...“
(Mt 6,24)
... doch möglich ist einen irdischen und einen himmlischen Herrn zu haben wird zur Kernfrage.
In meiner aktiven Kirchenzeit wäre es in unserer Glaubensgemeinschaft nahezu undenkbar gewesen, praktizierender SMer und Christ zu sein. Als Mann wurde mir zwar die geistige Führerschaft – wie in alten Zeiten – der Familie gern zugesprochen, doch nur in den von Gott festgelegten Grenzen. Die Sexualmoral der christlichen Glaubengemeinschaft in welcher in aufgewachsen bin, erklärte etwa Zweidrittel der Erfahrungen-Liste der Sklavenzentrale zur Sünde und machte es einem auch sonst schwer, Gründe dafür zu finden, eine Tochter Gottes zu schlagen.
Denn Lust und Geilheit sind da als zulässige Motive keinesfalls vorgesehen. Fühlt man sich jedoch weniger bis gar nicht von der Frage belästigt, ob einem das Ausleben der Neigung das Seelenheil kosten und im Jenseits die ewige Verdammnis einbringen könnte, stellt sich die Frage nicht, wie Gott wohl das Ganze sieht oder seine selbsternannten Stellvertreter und Propheten auf Erden.
Kann man jedoch die angenommene Unfehlbarkeit z.B. des Papstes sowie die des eigenen Doms mit sich selbst und seinem Glauben an Gott und Dom in Einklang bringen, so hat einem das Christentum nicht nur eine unsterbliche Seele zu bieten, sondern über dies hinaus auch ein wahres Füllhorn von Ideen und Inspirationen zu Aufbau eines individuellen Dom/Sub-Lebensentwurfs.
Im Angebot wären da nicht nur aus guter christlicher Tradition abgeleitete philosophische Betrachtungen über die vom Universum vorgesehene Stellung der Frau, sondern auch hilfreiche Anregungen zu praktischen Dingen, wie der Anwendung eines Andreaskreuzes, eines Prangers oder eines Strafbockes, sowie mannigfaltige Anleitungen zu hochnotpeinlichen Befragungen und angemessenen Bestrafungen.
Kurzum, es gibt jede Menge Anregungen auf alle wichtigen Fragen zum richtigen Umgang miteinander. Es muss also nicht immer "Die Geschichte der O" sein, welche man auf den Nachttisch bereitliegen hat.
Lediglich dominante Frauen, mit ihren submissiven, männlichen Sklaven finden sich vielleicht nicht so ganz wieder. Doch sobald die Bibel genderneutral übersetzt ist, ist auch dieses Problem behoben.
Text: M.Zyks
aktualisierte Version
Erstveröffentlichung: Schlagzeilen, Februar 2010